Baurecht
In Altfällen bei privaten Bauherren doch wieder HOAI Mindest- und Höchstsätze?
von: Rechtsanwalt & Notar Johannes JochemDamit ist für öffentliche Auftraggeber bereits seit einiger Zeit Schluss. Der europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits mit seiner Entscheidung vom 04.07.2019 die gesetzliche Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen für Architekten- und Ingenieurleistungen für unvereinbar mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie und der Niederlassungsfreiheit erklärt. Das hatte zur Folge, dass mit Wirkung zum 01.01.2021 eine neue HOAI in Kraft getreten ist, die Mindest- und Höchsthonorare nicht mehr verbindlich festsetzt, sondern nur noch Basishonorare für den Fall, dass die Vertragsparteien keine Honorarvereinbarung in Textform treffen.
Offen blieb lange die Frage, ob Altfälle, also Architektenvertragsabschlüsse und Honorarvereinbarungen aus den Jahren vor 2021 unter Beteiligung von privaten Auftraggebern ebenfalls unter die Entscheidung des EuGH fallen. In verschiedenen Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte waren hierzu unterschiedliche Aussagen zu finden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu nun mit Urteil vom 02.06.2022 (Aktenzeichen VII ZR 229/19) eine Entscheidung gefällt. Wie das "Rechteck" bereits berichtet hatte, zog der BGH (in einem Parallelverfahren VII ZR 174/19) zunächst eine erneute Schleife über den EuGH (Aktenzeichen C-261/20), der mit Urteil vom 18.01.2022 – überraschenderweise – nicht dem Votum des dortigen Generalanwalts gefolgt ist und es erlaubt, in nichtgrenzüberschreitenden Fällen, die Mindestsätze nach wie vor als Zwang anzuwenden.
Folgen für die Praxis
Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 02.06.2022 (Aktenzeichen VII ZR 229/19) sind in Sachverhalten, die keine Merkmale aufweisen, die über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinausweisen, und wenn die HOAI 2013 noch Anwendung findet, die dortigen in § 7 Abs. 1 und Abs. 3 HOAI 2013 angesprochenen Mindestsätze verbindlich. Ausnahmefälle müssten ausdrücklich begründet werden. Für den in diesem Fall beteiligten Ingenieur, der mit einer Gesamtpauschale insbesondere auch der unter die HOAI fallende Tragwerksplanungsleistungen vertraglich vereinbarte, besteht daher die Möglichkeit höher (nämlich auf Basis der höheren Mindestsätze) abzurechnen.
Es muss nun durch Zurückverweisung an das zuvor tätige Oberlandesgericht geprüft werden, ob sich der Ingenieur nach Pauschalhonorarvereinbarung, vorzeitiger Vertragsbeendigung wegen Kündigungserklärung durch die Bauherrn und der sich zunächst an dem vertraglichen Pauschalhonorar orientierenden Schlussrechnung trotz Nichtigkeit der Pauschale wegen eines Sachverhalts nach "Treu und Glauben" binden lassen muss. Ganz so einfach ist die Sachlage, wie in vielen Fällen der Mindestsatzunterschreitung, daher nicht.
Für die Rechtsanwender jedenfalls vereinfachend ist die Feststellung des Bundesgerichtshofs, dass die in § 7 Abs. 5 HOAI alte Fassung geregelte strenge Schriftform einer Honorarvereinbarung in jedem Falle anwendbar bleibt, was auch für die aktuellen und zukünftigen Fälle interessant ist, da auch die aktuelle HOAI in § 7 Abs. 1 eine Geltung der sogenannten Basishonorarsätze regelt, wenn keine Honorarvereinbarung in Textform existiert. § 7 Abs. 2 HOAI 2021 verlangt allerdings, dass Verbraucher auf diese Rechtsfolge hingewiesen werden müssen.
Kanzlei: RJ Anwälte Jochem Partnerschaftsgesellschaft mbH, Wiesbaden